IDM Norderney

24.08 - 27.08.2023

Lange vor der Meisterschaft begann es etwas zäh. Nachdem wir uns für Norderney als Ort für die IDM entschieden haben, kamen die Meldungen nur langsam in Schwung. Normalerweise kein Problem, wenn die Meldeliste 5 Wochen vor Event noch nicht voll ist – aber nach Norderney gibt es ja noch ein kleines Nadelöhr. Die Anfahrt endet schließlich mit einer Seereise und die Fähre muss auch Platz haben und die gingen bereits zur Neige.

 

Als mir also schon leichte Schweißperlen auf der Stirn standen („keine DM mangels Teilnehmer“), habe ich mich aktiv um Meldungen bemüht und wurde dabei dankenswerterweise unterstützt von Rolf Meyer, Stefan Böhm, Gerald Roos, unserem Präsidenten und noch weiteren, die auch auf der Euro noch einmal Werbung gemacht haben.

 

Dabei hörte ich dann für mich überraschende Dinge wie z.B., dass die DM von 2006, als wir schon einmal dort waren, gar nicht in so guter Erinnerung war, weil man sich ein Ruder an den Buhnen rausgerissen hatte oder die Bahn vor der Sandbank zu one-sided empfunden hatte oder dass sich manche gar nicht sicher waren, ob sie auf der Nordsee bestehen würden.

 

Aber es gab auch Lichtblicke – und davon am Ende mehr als Zweifler: Nici Völkner und Andreas Schmidt (welcome back) haben sich kurzerhand wieder ein Boot gekauft, um dabei sein zu können, zwei junge Norderneyer, Jan de Vries und Harmannus Bruhns (welcome), haben dasselbe getan, getriggert durch die IDM zu Hause, Carsten Kemmling wollte auch mal im Strom mit einer Jolle segeln (ok, Scholle hat ihn gezwungen), Michael Köritz hat einen seiner alten 505er wieder back to business gebracht, wenn er auch leider die Wettfahrten dann Einhand (!) absolvieren musste… (im Bild an Tag 4 mit seinem echten Einhand-Boot).

 

Während dieser Zeit hat auch unser Wettfahrtleiter Stefan Heising immer wieder angerufen, dass wir nun mal mit dem Melden Gas geben müssen. Außerdem hatte er nicht wirklich Lust auf Gatestart. Bernd Rasenack und Rolf hatten sich hingegen schon Wochen vor Beginn auf die Insel begeben, um bei der dortigen einzigen Regatta des Jahres, der Inselregatta, den heimischen Dickschiffen mal zu zeigen, wie man eine Regatta gewinnt. Es wäre auch gelungen, wenn sie nicht eine Runde zuviel gesegelt wären (herzlichen Fast-Glückwunsch). Aber das Positive war: Rolf konnte mich gleich warnen, dass der Slip in dem aktuellen Zustand unslippbar wäre und der Strom bei Wind auf den ersten 1,5 Meilen nur äußerst schwer zu beherrschen wäre.

 

Uii uiii uiii, das waren no good news. Eine Anruf bei Norderneyer Michael Köritz ergab, dass Rolf mit dem Slip nicht übertrieben hatte und der Strom bzw. das Wasser tatsächlich manchmal etwas zickig sein können.

 

Aber zum ersten Tag der IDM war alles perfekt Slip war dank Einsatz von Michael Köritz und besonders Lutz Brandt, dem Orgaleiter vom Segelverein Norderney, kein Bewuchs auf der Rampe,  Schlick nur dort, wo die Rampe schon zu Ende war und auch die scharfkantige Muscheln waren zum größten Teil entfernt. Dazu schien die Sonne und der Wind wehte mit 8 bis 10 Knoten, das Meer gab sich also größte Mühe uns willkommen zu heißen.

 

 

 

 

 

Aber nicht nur das Meer war zuvorkommend. Das galt ganz besonders auch für den ausrichtenden Verein. Um es gleich vorweg zu sagen: die haben sich super ins Zeug gelegt. Es begann mit Bier und Bratwurst zur Opening Ceremony und ging nach dem ersten Regattatag mit Aftersail-Bier/Softdrink, Bratwurst und super leckerem frisch gebackenem Kuchen weiter. Dasselbe Programm am zweiten und dritten Segeltag. Am Samstagabend dann die größere Grillparty und auch am Sonntag wurde noch einmal der Grill angeworfen. Es gab Slipwagenhelfer, ohne Ende Platz im Hafenvorfeld, es waren nur wenige Meter vom Boot zum Slip und wir brauchten nur am ersten Tag einmal anzudeuten, dass es super wäre, wenn wir irgendwo Wasser hätten, um die Boote mit Süßwasser spülen zu können. Schon standen am nächsten Tag direkt am Slip zwei mächtige Schläuche mit Wasser bereit. Vielen Dank an dieser Stelle noch einmal an den Club.

 

Zurück zum Segeln. Es war ein flauer Auftakt mit langsam noch weiter abnehmenden Wind – bei gut 1 kn Strom. Das machte die Vormwinder laaaang und die Kreuzen kurz. Also für Finn und mich suboptimal, denn das ist es, was ich überhaupt nicht kann. Aber wie froh und zufrieden waren wir, noch als 6. des ersten Laufes ins Ziel zu kommen. Also fast. Also, wenn ich nicht ALLES im Ziel versemmelt hätte. Ich schreibe den Bericht jetzt aber zu Strafe trotzdem, denn eigentlich waren wir 5. im ersten Lauf. Wenn ich nicht 20 Meter vor der letzten Tonne den 5. verloren hätte. Schlimmer war, dass ich dann an der Tonne, 20 Meter vor dem Ziel aus blindwütigem Ehrgeiz versuchte, den 5. wieder zurückzuerobern und bei kräftigem Strom volle Kanne gegen die letzte Leetonne genatzt bin.

Aber das wirkliche Drama nahm erst dann seinen Lauf. Eben noch super happy, dass starke Konkurrenten wie Micki Daisenberger/Johannes Tellen und Stefan/Gerald hinter uns waren, mussten wir jetzt kringeln. Da es mit Spi die letzten Meter ins Ziel ging, kein so wahnsinnig super Move. Die folgenden Sekunden berichte ich jetzt zunächst aus meiner Sicht bevor dann auch Finn etwas dazu sagen darf.

 

In Tims Kopf: Scheiße scheiße scheiße, kringeln. Aber vorher ein klein bisschen Schwung holen, den Spi einmal richtig hinstellen, da wir nach dem Rempler mit der Tonne fast stehen. Also Speed aufnehmen, was bei 4 kn Wind nicht so schnell geht. Aber mein Vorschoter ruft nur „Spi runter Spi RUNTER, SPIRUGRGRGGUUUGR“ und greift kurzerhand nach hinten, macht das Spifall auf und zieht den Spi runter. Meine Güte, was ist denn in den gefahren, denke ich, aber ich will noch ein paar Meter fahren, bevor wir mit dem Kringel noch langsamer werden. „NUN FALL AB, KRINGELN“ ist Finn nun endgültig sehr ungehalten. Ich schaue nach vorne und sehe nur dieses schwachsinnige Gummiboot direkt vor uns und frage mich, was die Jury hier zu suchen hat. Ich hatte doch extra die Segelanweisungen so geändert, dass die Jury NICHT auf dem Wasser sein soll, also kein Anhang P. Ich komme also gerade noch an dem Boot vorbei, ohne dagegen zu fahren und leite dann die Wende zum Kringel ein. „WO WILLST DU HIN?  KRINGEL UND FAHR INS ZIEL“, Finn ist echt wütend. Ja, meine Güte, ich kann auch nicht hexen, mittlerweile ist auch die Halse fertig, aber an dem blöden Boot sind wir vorbei. „FAAAAAAAAAAHR ZURÜCK, DAS ZIEL IST DAAAAAA“ schreit der Sohn, also freundlich kann man das jetzt nicht mehr nennen. Und ich überlege gerade, ob ich ihn nicht vielleicht doch ob dieser Respektlosigkeit enterben soll, als ich plötzlich schnalle, was los ist.

 

In Finns Kopf: Scheiße, scheiße, scheiße, warum fährt er gegen die Tonne, unnötiger kann man seinen Platz ja nicht vergeben. Mann mann mann. Und das Ziel sind keine 20 Meter, aber wenn wir jetzt sofort abfallen, dabei den Spi runternehmen und dann die Wende mit etwas Schwung und Glück zu Ende bringen, verlieren wir vielleicht nur Micki/Johannes. Hä? „Spi runter Spi RUNTER, SPIRUGRGRGGUUUGR“. Dann mache ich es eben selbst, Klemme auf, Spi runter. Wo fährt der denn hin, das Ziel ist doch da unten, in Lee von dem Gummiboot. „NUN FALL AB, KRINGELN“. Wo will der hin?? Gleich fahren wir noch gegen das Zielboot. Nein nein nein, doch nicht nach Luv! Oh mein Gott, jetzt kringelt er nach Luv. Was denn jetzt noch? Halse reicht und zurück, zurück zum Ziel. Zurück. „FAAAAAAAAAAHR ZURÜCK, DAS ZIEL IST DAAAAAA“ Na eeeeeeendlich hat er kapiert, wo das Ziel ist. Mann mann mann, die blaue Flagge ist nun wirklich groß, wo hat der seinen Kopf??

Die anschließende Manöverkritik war dann von bester Stimmung und großer Harmonie geprägt „Das wird uns noch den Titel kosten“. Wobei ich Finn tatsächlich ein Lob aussprechen muss, die Stimmung war bei ihm nur kurz schlecht. Bei mir länger.

Der Wind kam nicht wieder und ab ging es in den Hafen zur Jahreshauptversammlung, für die ich meinen Blackout im Rennen mal vergessen musste.

Vor der JHV begrüßten wir unsere ausländischen Gäste, 2 x Belgien und 1 x Dänemark und die jüngsten Teilnehmer (Toon van Assche, Fabiola Wonterghem, Dank an die Robert Rothe Stiftung für die Gutscheine). Die KV hat für das Catering gesorgt und nach gewohnt kurzer JHV auf der wir 4 neue Mitglieder willkommen heißen konnten, wurden noch ein paar Biere geleert. Die KV hat nach junger Tradition alle KV-Mitglieder, die das erste Mal auf einer IDM dabei sind mit Welcome-Gutscheine begrüßt - Mitglied zu sein (oder zu werden) und zur IDM fahren, lohnt sich also weiterhin.

 

An Tag 2 freute sich Heisi schon auf den bei uns üblichen und mittlerweile lieb gewonnen Torstart, denn bei dem Strom wären Linienstarts einer nach dem anderen gescheitert. Aber auch beim Torstart musste man sich anders vorbereiten als sonst. Bis zum Startschuss mussten wir bei dem leichten Wind auf Vorwindkurs versuchen, in Höhe der Starttonne zu bleiben, um nicht hoffnungslos zu weit nach Luv versetzt zu werden.

An dieser Stelle will ich die Gelegenheit nutzen, dem Wettfahrtleitungsteam für hervorragende Arbeit zu danken. Es begann damit, dass Heisi und Tüddel die ganze Zeit auf dem Gateboot waren und sich komplett auf die Mitarbeit des Teams auf dem Startschiff verlassen konnten. Die Entscheidungen fielen also auf dem Gummiboot. Der Normalfall ist, dass sich der hohe Wettfahrtleiter die ganze Zeit auf dem Startschiff befindet und nur für den eigentlichen Start auf das Gateboot setzt. Das ist aber Unsinn, weil es viel Zeit kostet. Auch das ein Grund für die extrem schnelle Startfolge der Wettfahrten. Viel Zeit für Pause blieb also nicht und so konnten an Tag zwei 4 Wettfahrten absolviert werden. Als Bahn wurde immer die Bahn NO gewählt und außerhalb des Flachs bzw. leicht auf dem Flach ausgelegt, wenn die Wassertiefe das erlaubte und so eine etwas kürzere Anreise ermöglichte. Der Strom war über die gesamte Bahn recht ähnlich, so dass es kaum eine bevorteilte Seite wegen des Stroms gab.

 

Nach den bis zum zweiten Kuchenbüffet und 3. Fass Freibier gesegelten 5 Läufen zeigte sich ein seltenes Bild mit sehr sehr enger Spitze:

Die Familie Tellen/Stenger waren mit ihren Starnberger See Anrainern Nici und Micki punktgleich auf den Plätzen 1 und 2. Nur 2 Punkte dahinter folgten punktgleich Jens Biederer/Jan Reifferscheidt und Fredi Schaal/Felix Diesch. Und wenn wir den Titel schon im ersten Rennen noch nicht endgültig verspielt hatten, so hatten wir heute nachhaltig dafür gesorgt, dass da nichts mehr gehen kann. Wir lagen auf Platz 12.

 

An Tag 3 und 4 kam endlich der erhoffte Wind, der uns noch eine Aufwärtstendenz erlaubte. Über den 3. Tag lässt sich Interessantes vor allem über das Wetter berichten. Auslaufen zur Bahn bei 15 kn, die beiden Läufe 1 und 2 dann bei 10 bis 12 kn. Der dritte ebenso – allerdings nicht ganz bis zum Schluss. Nach 2 von 3 Runden wurde der Wind einfach abgestellt. Von 12 kn aus 220° auf 0 kn in 30 Sekunden. Dann gab es hier und da Windfelder von 100 m Durchmesser mit Wind aus 310°, daneben nichts. Die alte Welle machte dabei besonders viel Spaß. Irgendwann hatte Heisi ein einsehen und brach das Rennen ab. Was folgte war eine ziemlich schwarze Wand, die aus 0 kn in wieder 30 Sekunden 25 kn aus 0° machte. Danach wieder 12 kn aus 250°. Vor dem Start aber wieder 0 kn. Dann noch eine Böe mit Wind aus 0°. Dann Feierabend, Wettfahrten segeln konnte man so nicht mehr. Beim Reinsegeln wieder 15 kn als wäre nichts geschehen seit dem Auslaufen.

 

Abends Grillparty, am nächsten Morgen 10.00 Uhr Start, zwei schöne Läufe und ab in den Hafen. Diese letzte Reise von der Bahn nach Haus wurde zur Herausforderung für einige, die vergessen hatten, dass ein Flach in der Nordsee bei ablaufendem Wasser nach und nach immer hinderlicher wird. Kann man eben noch bequem drüber hinweg segeln, schabt im nächsten Moment das Schwert, dann das Ruder und bald kann man aussteigen und muss schnell schieben, wenn man nicht auf die nächste Flut in 5 bis 6 Stunden warten will. Vor allem, wenn man noch eine gebuchte Fähre bekommen will…

 

Der Rest war Routine: Boote verpacken, Preisverteilung mit wieder tollem Preis von der Robert Rothe Stiftung (550 Euro Gutschein für das beste Mixed Team (Fabiola und Michael Wonterghem)), Danksagungen an einen tollen Club und eine tolle Wettfahrtleitung, ein letzter Snack, ab zur Fähre und schon verteilte sich die Menge wieder über Deutschland, in Gedanken noch bei einer tollen Deutschen Meisterschaft.

 

Fotos von Lutz Brandt (15), Jutta Kennepohl (1), Club-Fotograf (1), Bericht: Tim Böger und noch mehr Bilder von Lutz Brandt