Letzte Helden Mühlenberger Loch

13.11 - 14.11.2021

Die „Letzten Helden“ der kleinen Kieler Woche


Bericht eines langjährigen Begleiters aus der 505er Klasse

 

Vor ganz vielen Jahren kam es zur Gründung dieser Kultregatta. Damals war es oft noch eine echte Challenge. Die Boote waren schon im Schuppen, oft lag schon Schnee vor den Toren. Morgens waren die Schoten gefroren und den Glühwein, der auf dem Wasser gereicht wurde, goss man sich schon mal in die Stiefel, weil man die Füße nicht mehr merkte, Lederhandschuhe und Wollmütze zogen mehr Kälte aus dem Körper als ihn zu schützen.

 

Dank des fortschreitenden Klimawandels und dem zunehmenden Verlust an Regatten, die auch noch „social living“ als elementaren Teil der Veranstaltung sehen, entwickeln sich jetzt die Letzten Helden zur kleinen Kieler Woche, vor allem der nicht olympischen Klassen. Es waren alle Meldekontingente voll ausgeschöpft, sonst wäre es sicher viel mehr als 200 Boote gewesen. 54 Piraten (!!!) waren am Start, viel Aeros, Europes und Finns. Leider reichte die 505er Flotte nicht aus, um wie früher eine eigene Wertung zu bekommen. Das war für Jens und Johannes (GER 9135) auch das Verhängnis, denn trotz eines fulminanten Fotofinishes im letzten Rennen mit einer viertel Bootslänge Vorsprung, landeten sie wieder hinter der Meyer Familie (GER 9149), weil sie durch die Yardstickwertung im zweiten Rennen zu viele Boote aus anderen Klassen vor sich hatten. Immerhin erreichten die 505er im Gesamtplacement der 150 gewerteten Boote (einige hatten das Zeitlimit nie erreicht) in der Gesamtwertung Platz sechs und acht. Letzter Held wurde der frisch gekürte Meister im Finn, Thomas Schmidt, dessen Frau aus dem Wohnzimmerfenster in Blankenese kontrollierend zugeschaut hat.

 

Diese Regatta hat ihren besonderen Reiz, da man hier ganz nah an der Elbe nächtigen kann wie die ganz Vermögenden unter den Hamburger Bürgern, das Geschehen auf dem Wasser und an Land (rumpöbelnde Jogger, Radfahrer und flanierende Hanseaten eingeschlossen) beobachten kann und wie früher auf der Kieler Woche alle paar Sekunden Bekannte aus der Segelszenerie etc. vorbeikommen. Und wenn man sie nicht dort trifft, geht man abends ins Rio Grande oder in die Linde oben in Blankenese, um Frank Schönfeldt zuzuhören und sich auf den letzten Stand der laufenden Projekte rund um den Regattasport und der fliegenden Conger zu informieren. Und die jüngeren Segler feiern im Bootsschuppen des BSC bis die Polizei kommt.
Es bleibt ein Event, dass in jedem Jahr nach Wiederholung ruft, auch wenn man wie immer am Ende doch viel zu lange auf die Preisverteilung warten muss. Die vielen oft weit angereisten Segler zeigen, dass man hungrig ist nach solchen Veranstaltungen mit einer tollen Umgebung, Treffen, Schnacken und Bierchen trinken trotz des doch arg engen segelbaren Bereiches des einzigen Tidengewässers im Regattaplan der Fiven.

 

Es zeigt auch, dass die pseudoprofessionalisierten Konzepte wie die Kieler Woche oder Segelbundesliga auf Dauer verlieren werden, wenn man Segelsport nur rein als sportliches Event tituliert. Damit wird man keine Chance haben, dem Segelsport den Nachwuchs zu erhalten.

 

Bis zum kommenden Jahr,
Rolf